21. Juni 2017

lecker Kaffee


Horst Lüning erklärt, wie seine Oma Kaffee aufgebrüht hat.

Es gibt über Kaffee ungefähr soviele Meinungen wie Sorten. Das alles mal 2, weil das Gegenüber natürlich eine andere Meinung zum Gebräu hat.

Dabei ist es am Anfang ganz einfach.

Ein guter Kaffee ist nichts weiter als ein Produkt schnöder Physik und Biochemie. Ein schlechter übrigens auch.

Bzw. Kaffee läßt sich sehr gut mit den Erkenntnismethoden beider Wissenschaften beschreiben. Alles andere ist Kaffeeesoterik. Oder elend viel praktische Erfahrung bei der Röstung der beabsichtigten Mischung. Nebst etlichen Fehlversuchen.

Derzeit werden die letzten Reste einer 60/40-Mischung vertrunken. Es war wohl eine mit italienischen Kennern entwickelte Hausmischung eines Kaffeeladens. So heißt die auch. Hausröstung. Hat keinen Namen.

Im Vergeich zu den 100% Arabica ist das eine völlig andere Geschmacks­richtung, sehr erdig. Aber, er schmeckt gut und ist säurearm. Sage also keiner, daß Robusta nicht schmeckt. Die Bohne bringt das Coffein und das kräftige Aroma ins Wasser, wenn man wenig Wasser nimmt. Nimmt man viel Wasser, ist immer noch die gleiche Menge Coffein vorhanden.

Ich stelle das Komplizierte mal in den Vordergrund, um mich danach nur noch dem Einfachen zu widmen, der physikalischen Biochemie.

Die 60/40-Bohne habe ich bisher ausschließlich aus der Aeropress und dem Siebträger getrunken. Für die Aeropress reicht ein grob gemahlenes Pulver. Der Siebträger kann feiner gemahlen sein.

Erstaunlicherweise schmeckt der Kaffe aus der Aeropress besser. Erst eine Änderung an der Kaffeemühle brachte ein neues Geschmackserlebnis. Ultrasuperfein gemahlen, übertrifft der Siebträger die Aeropress deutlich.

Damit sind wir bereits in der gesamten Komplexität der Kaffeezubereitung drin, obwohl das so einfach ist.

Kaffee ist nichts weiter als über die Zeit bei bestimmter Temperatur aus dem Mehl extrahierte Aromen und Inhaltsstoffe. Kaffee ist ein Produkt der Elemente. Als da wären Feuer, Wasser und Posaunen. Letztere werden benötigt, um fertig zu signalisieren bzw. auf diffizile Art den Luftstrom ins Gebräu zu blasen.

Und schon ist es mit der Einfachheit vorbei. Aus den Kenngrößen Wasser­temperatur, Mahlgutgröße und Dauer der Extraktion unter Zuführung von Sauerstoff wird blitzschnell ein unlösbares Differentialgleichungssystem mit unendlich vielen Parametern.

Bei der Aeropress ist es einfach. Kaffee rein. Wasser drauf, Sauerstoff unter heftigem Umrühren mit dem beigelegten Plastestab zuführen, nach ca. 30 bis 60 Sekunden durch das Filter drücken. Das war's. Mit dem Mahlgrad kann man etwas experimentieren, der Temperatur auch. Im Grunde schmeckt der Kaffe immer gleich (gut). Das ist abhängig von der Sorte.

Verändern wir ein paar Parameter. Das Korn wird feiner. Wir erhöhen damit die Oberfläche des Kaffees, die mit der gleichen Menge Wasser in Berührung kommt. Was ist jetzt mit der Brühzeit? Kann die sinken. Oder rühren wir ein paar Sekunden länger lustlos in der Brühe rum?

Bei der Aeropress nutzt feiner gemahlener Kaffee nicht. Auch länger rumstochern hilft nicht, dem Geschmack auf die Sprünge zu helfen.



Anders beim Siebträger, wie seit dem Wochenende erlebt.

Der hat ein anderes Problem. Mache ich einen Espresso, der in ca. 10 bis 15 Sekunden durchgerauscht ist, oder leier ich eine ganze Tasse Kaffee da raus?

Bei Espresso ist das klar. Binnen weniger Sekunden müssen alle Aromen und Inhaltsstoffe aus dem Mahlgut extrahiert sein. Deswegen der hohe Druck und das superfeine Pulver. Größte Oberfläche mit Maximalkraft bearbeiten. Dann kommt auch ein schmackhafter Kaffee raus. Wem er nicht schmeckt, der sollte Kaffee schlürfen. Genau. Denn durch das Schlürfen wird Sauerstoff hinzugefügt. Die Inhaltsstoffe werden vernebelt, aerolisiert, und können so die Rezeptoren im Rachen und am Ende der Zunge ansprechen, die für die Bitterstoffe zuständig sind. Kaffee mit der Zunge lecken hilft nicht, denn an der Zungenspitze sind andere Geschmacksrezeptoren. Im Prinzip hat es die deutsche Meisterin ganz am Ende vom Video richtig erklärt. Ungefähr jedenfalls. Ohne die Funktion der Rezeptoren zu erwähnen.

Für den Siebträger kann man sich also merken. Der ist für Espresso gemacht. Da macht man alles nach Anweisung des Herstellers. Espresso-Mischung der persönlichen Wahl und gut ist. Will man einen Americano (Café Lungo bzw. Aleman), dann darf das Pulver etwas gröber gemahlen sein, denn es wird die drei- oder vierfache Menge Wasser in längerer Zeit durch das Sieb gedrückt. Die dem Wasser bei gegebener Temperatur dargebotenen Oberfläche kann verkleinert werden, da die Einwirkzeit länger ist.

Irgendwann hat man das alles rausgekriegt, fertigt sein Pulver für zwei Endverbraucherszenarien an und trinkt fast nur noch edle Mischungen aus der Kleinrösterei vor Ort. Kaffee aus dem Supermarkt läßt man da liegen, wo er liegt. Im Supermarkt.
Wichtig ist in jedem Fall sich durch verschiedene Bohnen und Herkunftsländer und Regionen zu probieren, um die passende und geschmacklich ideale Bohne für den eigenen Geschmack zu finden.
Demnächst ist noch ein Pröbchen Espresso Blend 50/50 in der Mache. Bin gespannt, wie das gelungen ist.