5. September 2009

Yeah Yeah Yeah

Ein Tag im Leben

Manchmal hat man ja so 'ne Heimsuchung. So in der Art, wie der Spiegel, nichts wissen, aber trotzdem mal was aufschreiben.

Kann ich eigentlich auch, mir Märchen ausdenken und als der audiophilen Weisheit letzter Schluß verkaufen.

Ich vermute mal ganz stark, was ich eh schon vermutet habe. Die größte Gelddruckmaschine der Welt wird wieder mal angeworfen, um den einen oder anderen Manager oder Teilhaber bei EMI das bevorstehende Weihnachtsfest etwas zu versüßen.

Als pawlowscher Reflexauslöser wird der Wundersatz "So schön haben sie die Beatles noch nie gehört" kreiert, oder hieß das gekreiert?,... Also dieser Satz wird in die große weite Welt hinausposaunt, damit Vati die Geldbörse locker macht und all das, was er eh schon hat, auf Platte, Kassette und CD, daß er also all die klanglichen Wunderwerke noch einmal in einer schön gestalteten Pappbox erwirbt.

Wäre jetzt eine Diskussion über Sinn oder Unsinn des Remasterns zu führen, die ich dem geneigten Leser ersparen möchte, denn das hieße, zu tief in technische Prozesse, Wortbreiten und Frequenzbänder, Software und Mastering-Plugins, Abhör-Monitore und High-End-Kopfhörer einzutauchen, eine Materie, die den meisten Menschen fremd ist, weil sie sich eh mit dem Küchenradio und den komprimierten Werberadiokrempel zufrieden geben.

Mithin, der durchaus kaufwillige Bürger, der nicht bereit ist, sich für den Genuß der Scheiben aus dem Leben zurückzuziehen und abzuschalten, dieser kaufwillige Bürger wird mit dem ihm zur Verfügung stehenden Equipment keinen Unterschied feststellen, was denn nun geremastered sein soll, was er da als Neu und frisch gewaschen erstanden hat. Er wird sich die Zeitschriften noch einmal durchlesen, die drei Beispiele nachvollziehen, an denen das erläutert wird, ihnen beipflichten, denn er hat es ja gehört.

Daß er älter geworden ist und sich sein Gehör naturgemäß verschlechtert hat, daß kommt ihm nicht in den Sinn. Daß seine Lautsprecher 13 Jahre alt sind und damals für 99 Mark neben dem Gemüseregal günstig zu erwerben waren, das ist aus seiner Erinnerung längst gestrichen.

Er pappt die Pappbox zu all den anderen Scheiben und ist glücklich, die Beatles im neuen Klanggewand in der Schrankwand zu haben.

Wenn er sich aber drauf einläßt, sich in den stillen Abendstunden eine Scheibe nach der anderen vorzuknöpfen und in diese eintaucht, dann wird er, so vorzügliche Lautsprecher oder Kopfhörer die Schallwellen produzieren, dann wird er feststellen, daß remastern doch irgendwie Sinn macht, marginal, etwas, nicht viel. Und ihm wird wieder einfallen, daß das gute alte Magnetband weitaus bessere physikalische Eigenschaften aufweist, als man sich dies in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts noch vorstellte.

Und ihm wird einfallen, daß die Japaner eigentlich gar keinen so schlechten Job gemacht haben, als sie die Beatles-Katalog in Eigenregie gemastert haben.

Ihm wird aber auch einfallen, daß die Fahnenstange, die George Martin und Sohn mit dem Album "Love" in die Erde gepflockt haben, schweinehoch ist. Unerreichbar für die Nachgeborenen. Der Olymp des technisch Machbaren.

Unterm Strich wird der geneigte Hörer also feststellen, daß er in seiner vollständigen und gut sortierten Sammlung eigentlich keine frisch gewaschenen Lieder der Beatles braucht. Denn Musik ist immer auch ein Produkt seiner Zeit. Manchmal seiner Zeit voraus. Und es ist ein Stück in Stein gemeißelte Erinnerung. So hab ich das dann und dort gehört und dies und das dabei erlebt. Und diese in den Synapsen verknorpelte Erinnerung läßt sich nunmal nicht remastern. Nur noch reaktivieren.

Die Zeitschrift Stereo würde das ganze vielleicht so zusammenfassen:

Das erlauchte Auditorium machte es sich in Erwartung des Woweffektes in teuren Sesseln bequem und lauschte andachtsvoll den Klängen, die aus den 25000 € teuren JBL Superboost Hörnern von einen 24000 € teuren DCS CD player via den 36000 € teuren Ayre Acoustics Vor- und Endverstärker und 33000 € teure transparente Audiokabel in Schallwellen gewandelt wurden.

In der heimischen Hütte kann das Resultat abweichend sein.


Will heißen, ich werde kein einziges Wort glauben, das in den nächsten Tagen auf den kaufwilligen Menschen nieder prasselt, denn nur selber hören macht klug.

Remastern hat durchaus seinen Sinn. Es klingelt die Kasse der EMI. Und das ist immer noch der beste Klang. Es ist zumindest der Klang, den eine Firma am liebsten hat.

Als Empfehlung hieße das vorstehend erzählte Märchen: Wer alles hat, sofern es die Pressungen der EMI aus den 80ern sind, der muß keine Eile haben. Der hat gutes Material zu Hause liegen. Ansonsten bleibt nur übrig, mit sehr gut geschultem Gehör und entspannt an die Hörbar zu trotten, sofern es sowas noch gibt, und präzise jene Stellen abzuhören, die man in- und auswendig kennt.

Ich z.B. könnte an "A Day In The Life" oder "The End" durchaus feststellen, ob sich der Kauf der Pappschatulle lohnt und würde jetzt einfach mal behaupten: Im Prinzip ja. Mit der Einschränkung, daß ich die Beatles schon besser gehört habe. Und marginal schlechter.

Der gefährliche Spagat, den Charme des 60er Jahre Sounds zu erhalten und das Studiomaterial trotzdem auf den technischen Stand des Jahres 2009 anzuheben, der wird gelungen sein. Im Gegensatz zu den Remasters der Rollings Stones aus dem Jahre 2009, die ruhigen Gewissens als Opfer des Lautstärkekrieges bezeichnet werden können und nicht anzuhören sind.