15. Mai 2020

tote Surfer in den Niederlanden



Ich kenne das schöne Leben mit der Surferei seit 17 Jahren, nicht weil ich dem Freizeitvergnügen selber fröne, sondern weil ich regelmäßig an heißen Punkten bin, wo andere sich des Segelns über Wasser befleißigen. Inso­fern wundert mich jetzt nicht, daß in den Niederlanden 5 Rettungs­schwimmer auf einen Schlag von der Kraft der Natur überwältigt wurden.

Oben ist ein Foilboard und der dazugehörige Wing zu sehen, von dem ich berichtete. Vorne sieht man noch Strippen von einem Kite. Die gehören nicht dazu. Das Foil ist das unter dem Brett befindliche Teil, das für den Auftrieb sorgt, so daß man auch bei weniger Wind in die Puschen kommt. Den Flügel oder Drachen hält man dann einfach so in der Hand. Der ist nur mit einer dünnen Strippe am Brett oder Mann gesichert, damit er nicht verloren geht. Wenn man weiß, daß es so etwas gibt, dann weiß man auch, wie solche Leute ticken. Oder man läßt es sich in unzähligen Gesprä­chen erklären.

Surfer kennen nur Wind und Wellen. Alles andere existiert nicht. Wenn man nun wegen Schutzhaft monatelang nicht surfen durfte, die Schutzhaft beendet wurde und das Meer wieder frei vor der Nase liegt, der entspre­chen­de Wind aufkommt, dann kennen diese Typen nur eines, Nase in den Wind und Kante geben. Gefahren existieren in diesem Moment des großen Rauschs nicht.

Man kann fugrechtlich behaupten, daß wir es mit den von vielen progno­stizierten Kollateralschäden des Corona-Ausnahmezustandes zu tun ha­ben, die es womöglich so nicht gegeben hätte, wenn es ein normales Frühjahr gewesen wäre. Womöglich hätten dann an diesem Abend die üblichen Warntrigger in den Körpern der jungen Burschen funktioniert. Womöglich auch nicht, da wir es mit Gruppendynamik zu tun hatten.

Was ist eigentlich so spannend am Surfen? Das wissen nur die Surfer selber.

Was ist für mich daran so spannend? Nun, genau das, was auch an den Ballsportarten interessant ist. Da wo Wind ist, sind Surfer, und da wo Surfer sind, ist immer Bewegung, also was los, Dynamik, Action. Ist halt Freilicht-Kino und sehr windig. Das muß man wissen. Wind ist nämlich auch richtig ekelhaft, außer für Surfer. Und wenn man viel Zeit hat, setzt man sich mit langer Tüte da hin und schießt knackige Bilder.

Es ist Element des tief in uns verankerten Archaichen, des evolutionären Erbes. Bewegung erkennen, sofort reagieren und mit kräftiger Hand den flüchtenden Saurier erwürgen, so fing der Aufstieg des Menschen zur erfolgreichsten Art des Planeten an. Andere behaupten, die Krokodile seins, weil sie sich seit 250 Millionen Jahren nicht eine Sekunde lang um Fortentwicklung gekümmert haben. Ihr erbsgroßes Hirn reicht immer noch aus, um allen Anforderungen des Lebens zu trotzen. Letztlich ist es egal.

Alle höheren Lebewesen sind bewegungsfixiert, weil das der unmittelbare Zugang zu hochwertiger Nahrung bedeutet. Rehkeule ist um einiges hoch­wertiger als ein Pfund Hirsebrei. Da wir uns heute weder um Rehkeule noch Hirsebrei kümmern müssen, da es beides in der Kaufhalle gibt, die Zeit nicht mehr mit Jagen verbracht werden muß, gehen wir eben zum Fußball, wenn wieder mal welcher ist, oder ins Kino oder woanders hin, wo unser Sehsinn trainiert wird. Vielleicht brauchen wir ihn ja doch nochmal.